Erstmalige online-Umfragen zur Bekanntheit und zur Praktikabilität der Leitlinie für den Integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz

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Erstmalige online-Umfragen zur Bekanntheit und zur Praktikabilität der Leitlinie für den Integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz

Nadine Feuerbach, Julius Kühn-Institut, Dr. Manfred Hartung und Dieter Heider, b&s Unternehmensberatung, Jenny Richter, BVA

Um allen Praktikern, die Getreide und andere Schüttgüter lagern, Handlungshilfen für den integrierten Pflanzenschutz (IPS) an die Hand zu geben, wurde die sektorspezifische Leitlinie Integrierter Pflanzenschutz für den Vorratsschutz erarbeitet (Flingelli & Hommel, 2015). Mit dem von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Projekt „Netzwerk Vorratsschutz“ (VSnet) werden diese in der Praxis erprobt, bekannt gemacht und weiterentwickelt.

Dafür wurden im Rahmen des Projekts Umfragen zur Bekanntheit der Leitlinie zum Integrierten Vorratsschutz in unterschiedlichen Bereichen durchgeführt. Die Befragungen sind ein wichtiger Baustein zur Untersuchung der Bekanntheit und Praktikabilität der Leitlinie auf der Ebene der Wissensvermittlung und Wissensverbreitung. Eine Befragung richtete sich an Landwirte und Praktiker in der Lagerhaltung, eine weitere Befragung richtete sich an die landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschulen. Außerdem wurden die Pflanzenschutzdienste der Länder befragt. Mit diesen Umfragen konnten erstmalig in Deutschland Erkenntnisse zum aktuellen Stand der Vorratsschutz-Praxis und der Vermittlung von Vorratsschutz-Wissen durch die agrarwirtschaftlichen Bildungseinrichtungen und der Pflanzenschutzdienste generiert werden. Für die quantitative Umfrage hat das Projektteam auf Grundlage der IPS-Leitlinie für den Sektor Vorratsschutz einen Fragebogen mit überwiegend geschlossenen Multiple-Choice-Fragen erstellt. Die mit den Fragebögen erfassten Daten wurden in einer Ergebnismatrix zusammengestellt und einer statistischen Häufigkeitsanalyse unterzogen.

Befragung der Praxis

Die online-Befragung an die Praktiker und Anwender fand im Zeitraum vom 23. Juni 2020 bis zum 2. August 2020 statt. Zielgruppe waren alle potenziellen Anwender der Leitlinie wie Landwirte, Agrarhändler und Mühlen. Die Umfrage wurde genutzt, um neben der Bekanntheit der Leitlinie bei den Lagerhaltern Informationen zu den im jeweiligen Unternehmen umgesetzten Vorratsschutz-Maßnahmen zu erfragen, sowie um Einschätzungen zur Anwendbarkeit der Leitlinie und zum Weiterbildungsbedarf zu erhalten. Der Fragebogen war öffentlich zugänglich auf der Projektwebseite von VSnet eingestellt. Zur Verbreitung der Umfrage trugen alle Projektpartner und der Projektbeirat von VSnet bei. Darüber hinaus wurde der Fragebogen über brancheninterne Multiplikatoren (wie Verbände, Unternehmen und Behörden) weiterverbreitet. Der Fragebogen wurde von 82 Personen ausgefüllt. Die 80 Betriebe, die diese Personen vertraten, verfügen über ein Gesamtlagervolumen von 3.028.439 t. Die Antworten können daher als ein aussagekräftiger Beitrag zur Weiterführung und Präzisierung der Ziele des Netzwerkes Vorratsschutz betrachtet werden. Da der Fragebogen über das Internet frei abrufbar war, lässt sich keine Rücklaufquote ausweisen. Die Beantwortung der Fragen wurde zum überwiegenden Teil von Personen mit Leitungsfunktion - wie Betriebsinhabern, Betriebsleitern und Geschäftsführern - übernommen. Vertreter von gewerblichen Lagerhaltern und landwirtschaftlichen Lagerhaltern waren in etwa gleichem Umfang vertreten.

Der Fragebogen war in 4 Themenbereichen unterteilt:

  1. Charakterisierung des Unternehmens und der Antwortgeber
  2. im Unternehmen etablierten Vorratsschutz-Maßnahmen
  3. Bekanntheit und Anwendung der Vorratsschutz-Leitlinie
  4. Weiterbildung und Informationsvermittlung

Aus der Befragung der Praktiker ließen sich Aussagen zur Bekanntheit und Praxistauglichkeit der Leitlinie ableiten. Von den befragten Lagerhaltern gaben 68 % (67,5% der Landwirte und 69,2 % der gewerblichen Lagerhalter) an die Vorratsschutz-Leitlinie zu kennen. Von den Antwortgebern, die die Leitlinie kennen, teilten 83,3 % mit, dass sie diese im Unternehmen anwenden. Über aller Antwortgeber hinweg liegt der Anteil derjenigen, die die Leitlinie im Betrieb anwenden bei 56 %. Im Detail zeigt sich, dass nur ein Viertel der Antwortgeber die Praktikabilität der Anforderungen der Leitlinie eindeutig mit ‘ja‘ beantworten. Ein Anteil von 38,7 % antwortet, dass die Anforderungen nur teilweise praktikabel sind. Das lässt vermuten, dass die in Anhang 2 enthaltenen Handlungsanweisungen praxisgerechter aufgearbeitet werden sollten. Das Ergebnis zeigt auch, dass die Inhalte der Leitlinie schon in der Aus- und Weiterbildung verankert werden müssen. Zwar ist zwei Dritteln der Unternehmen die Leitlinie für den integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz bekannt. Jedoch ist der Anteil der Unternehmen, die die Leitlinie tatsächlich auch anwenden, wesentlich geringer als der Anteil derer, die die Leitlinie kennen. Im Bereich der gewerblichen Lagerung liegt dieser Anteil 10,2 Prozentpunkte unter dem Bekanntheitsgrad. Bei den landwirtschaftlichen Lagerhaltern liegt er sogar 13,8 Prozentpunkte darunter.

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Befragung der Bildungseinrichtungen im Agrarbereich

Die Online-Befragung wurde im September 2020 per E-Mail an 373 Bildungseinrichtungen versandt. Darunter befanden sich Berufsschulen, Fachschulen, Weiterbildungseinrichtungen für Landwirte sowie für Verfahrenstechnologen der Mühlen und Getreidewirtschaft. Die Befragung diente der Informationsgewinnung, inwiefern die Inhalte der Vorratsschutz-Leitlinie in der Aus- und Weiterbildung aufgegriffen und gelehrt werden und welche Unterstützung ggf. für die Wissensvermittlung erforderlich ist. 42 Bildungseinrichtungen beantworteten den Fragebogen (Rücklaufquote 11,3%). Die Fragen waren in 3 Themenbereiche gegliedert.

  1. Charakterisierung der Bildungseinrichtung und der Antwortgeber
  2. Bedeutung des Integrierten Pflanzenschutzes und speziell auch des Vorratsschutzes in den bisherigen Aus- und Weiterbildungsangeboten
  3. Kenntnis und Umsetzung der Leitlinie für den integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz in der Aus- und Weiterbildung

Von den 42 Vertretern von Bildungseinrichtungen, die sich an der Umfrage beteiligten, gaben 18 an, dass sie die Leitlinie für den integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz kennen. Demzufolge ist in 58 % der teilnehmenden Bildungseinrichtungen die Leitlinie nicht bekannt. Nur bei 15 % der Bildungseinrichtungen, die die Vorratsschutz-Leitlinie kennen, findet eine umfassende Vermittlung der fachlichen Inhalte statt. Mit 51,3 % werden im überwiegenden Teil der Bildungseinrichtungen, die an der Umfrage teilnahmen, die Inhalte der Vorratsschutz-Leitlinie wenig oder gar nicht vermittelt. Hier zeigt sich ein großer Handlungsbedarf. Zumal die Umfrage bei den Praktikern zeigte, wie wichtig es ist, die Inhalte der Vorratsschutz-Leitlinie im Rahmen von Aus- und Weiterbildung zu vermitteln.

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Befragung an die Pflanzenschutzdienste der Länder

Im Rahmen der Untersuchungen zur Anwendung der Leitlinie für den integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz wurden die Pflanzenschutzämter der Bundesländer gebeten, an einer Befragung mittels Fragebogen teilzunehmen. Die Befragung richtete sich an die Führungskräfte der 16 Pflanzenschutzämter. Es sollte ermittelt werden, inwiefern die Inhalte der Leitlinie Integrierter Vorratsschutz im Sektor Pflanzenschutz in die Arbeit und Entscheidungsfindung der Pflanzenschutzämter einbezogen werden. 9 von 16 Bundesländer haben den Fragebogen beantwortet (Rücklaufquote 56,3 %). Jedoch wurden nicht in allen Fällen alle Fragen umfassend beantwortet. Die Fragen waren in 3 Themenbereiche gegliedert.

  1. Charakterisierung der der Antwortgeber
  2. Bedeutung des Integrierten Pflanzenschutzes und speziell auch des Vorratsschutzes in der bisherigen Arbeit der Pflanzenschutzdienste
  3. Kenntnis und Umsetzung der Leitlinie für den integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz

Größtenteils wird durch die Pflanzenschutzämter bestätigt, dass der Vorratsschutz Bestandteil ihrer Kurse zur Erlangung / Aufrechterhaltung der Pflanzenschutz-Sachkunde ist. Dagegen wird dieses Teilgebiet des Pflanzenschutzes in den Winterschulungen für Landwirte kaum einbezogen. Beratungs- oder Schulungsangebote zum Vorratsschutz an Handels-/Verarbeitungs-unternehmen werden ebenfalls eher weniger durch die Pflanzenschutzämter unterbreitet.

Dies zeigt, dass der Vorratsschutz bei der Offizialberatung durch die Länder eine untergeordnete Rolle spielt. Auch sehen sich die öffentlichen Stellen nicht allein in der Verantwortung die Beratungsleistung im Vorratsschutz zu gewährleisten.

Zwei Drittel der teilnehmenden Pflanzenschutzdienste gaben an, dass die Leitlinie für den integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz für die Beratungsangebote ihrer Dienste von Bedeutung ist. Dennoch wird die Leitlinie von diesen Pflanzenschutzdiensten nur teilweise bzw. weniger stark im Rahmen ihrer Arbeit eingesetzt.

Informationen an zum Inhalt der Leitlinie für den integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz werden von den Pflanzenschutzämtern für sinnvoll und notwendig gehalten. Für eine stärkere Einbeziehung der Vorratsschutz-Thematik in den Kursen und Winterschulungen könnte die Leitlinie als ein Themenkatalog, der die Gesamtproblematik des Vorratsschutzes umfassender repräsentiert bei allen Pflanzenschutzämtern verankert werden Dazu sollten über entsprechende Weiterbildungsanbieter Schulungen zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Leitlinie durchgeführt werden.

Bei der Nutzung der Leitlinie für ihre Arbeit wünschen sich alle teilnehmenden Pflanzenschutzdienste unterstützung. Dabei wird am häufigsten der Wunsch nach Informationsmaterialien genannt. Auch Beratungs- und Weiterbildungsangebote zu den Inhalten der Leitlinie werden als sinnvoll erachtet. Erklärvideos für online-Sachkunde Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sowie der Wiederaufbau des Vorratsschutzes in den Pflanzenschutzdiensten werden als weitere Unterstützungsmaßnahmen vorgeschlagen.

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Fazit und Schlussfolgerungen

Es zeigt sich, dass VSnet mit seinen Anstrengungen zum Wissenstransfer für den Integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz auf einem guten Weg ist. Gleichzeitig wurde bestehendes Verbesserungspotential hinsichtlich der Bekanntheit der Leitlinie, ihrer Anwendung in der Praxis sowie der Praktikabilität der beschriebenen Vorratsschutzmaßnahmen aufgedeckt. Ein Großteil der Befragten Praktiker wünscht sich Unterstützung durch mehr Beratung, Erfahrungsaustausch, Informationsmaterialien und Weiterbildungsangebote, auch seitens der Offizialberatung.

In den Bildungseinrichtungen zeigt sich, dass die Leitlinie in den Schulen wenig bekannt ist und die Inhalte bisher kaum in den Lehrplänen verankert sind. Die Befragten wünschen sich vor allem mehr Informationsmaterialen zur Unterrichtsgestaltung. Zudem wurde der Wunsch nach mehr Beratung, Weiterbildungsangeboten und dem Kennenlernen von Demonstrationsbetrieben geäußert. Da die Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung bei der Wissensvermittlung zum Integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz eine essenzielle Rolle spielen, besteht der dringende Bedarf die Vorratsschutz Leitlinie dort nicht nur bekannt zu machen, sondern auch dabei zu unterstützen, dass die Inhalte der Leitlinie in den Aus- und Weiterbildungsangeboten umfassender vermittelt werden können.

Aus den Umfragen lässt sich der Bedarf erkennen, die Arbeit zur Bekanntmachung der Vorratsschutzleitlinie mindestens mit der bisherigen Intensität fortzuführen. Darüber hinaus sollten – wie im NAP als Maßnahme vorgesehen – Anreize zur freiwilligen Anwendung der Leitlinie entwickelt werden. Mögliche Ansatzpunkte könnten hierbei die von den Teilnehmern der Umfrage angegebenen Wünsche nach mehr Beratung, Weiterbildungsangeboten, Informationsmaterialien und Erfahrungsaustausch sein.

Die Leitlinie zum Integrierten Pflanzenschutz im Sektor Vorratsschutz kann als geeignetes Instrument zur Wissensvermittlung bei den Anwendern und in den Bildungseinrichtungen eingeschätzt werden. Sie bietet wichtige Unterstützung bei der Umsetzung des IPS, denn sie hilft, praktikable Maßnahmen zur Vorbeugung, Kontrolle, Bekämpfung und Dokumentation im eigenen Betrieb zu etablieren. Es besteht jedoch der Bedarf die Praktikabilität der Leitlinie weiter zu verbessern. Darüber hinaus sollte die Praktiker über einen weiteren Ausbau des Wissenstransfers dazu motiviert werden, die Leitlinie freiwillig anzuwenden, D.h. das enthaltene Wissen muss verstanden werden, praktikabel sein und sollte einen Nutzen erwarten lassen. Geeignete (staatliche) Förderanreize können als Motivation die Freiwilligkeit unterstützen. Eine stetige und fortlaufende Weiterentwicklung der Leitlinie und die Erhaltung der Strukturen des „Netzwerks Vorratsschutz“ über die Projektzeit hinaus sollten angestrebt werden, um Informationen und Erfahrungen auszutauschen, zu bündeln und aktuell zu halten.

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Lesen Sie hier die Berichte zu den einzelnen Befragungen:

Den Bericht zur Befragung an die Pflanzenschutzdienste lesen Sie hier

Den Bericht zur Befragung von Landwirten und Lagerhalten lesen Sie hier

Den Bericht zur Befragung von Schulleitern und Lehrkräften lesen Sie hier

 

Weitere Informationen 

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Weitere Informationen zum Netzwerk Vorratsschutz